Dem viel geäußerten Spruch "Das macht die Natur ganz allein!" sollte nicht unkritisch gefolgt werden. Sicherlich - im Normalfall bewältigt eine Katze die Geburt völlig selbständig, so dass sich die menschliche Hilfe auf guten Zuspruch beschränken kann. Dennoch sind bei den komplexen Abläufen einer Geburt so viele Komplikationen denkbar, dass man diesen nicht unvorbereitet begegnen sollte. Bevor die einzelnen Phasen einer "normalen" Geburt zur Darstellung kommen, werfen wir einen Blick auf folgendes Schema. Es zeigt uns, wie es bei Einsetzen der Geburtsvorgänge innerhalb der Katze aussieht.
Die Föten befinden sich in den beiden Hörnern der Gebärmutter. Sie schwimmen in der schützenden Fruchtblase und sind von der Plazenta umgeben.
1. Phase: Senkungs- oder Eröffnungswehen: Sie erweitern die Geburtswege und schieben die Ungeborenen abwechselnd aus den beiden Hörnern in Richtung Geburtskanal. Bei Erstgebärenden kann diese Phase mehrere Stunden dauern. Sie beginnt oft unbemerkt mit einer Art Schluckauf und einem dabei angestrengten Blick. Die Katze verlangt nun nach ihren Menschen und liegt ausdauernd und schnurrend bei verstärkter Atmung in der Wurfkiste. Nun ist es Zeit für die letzten Vorbereitungen. Hände und Fingernägel werden gründlich gewaschen und gebürstet. Auf Desinfektionsmittel sollte dabei verzichtet werden, um die Neugeborenen nicht durch den Geruch zu irritieren. Unruhe und störende Mitbewohner werden aus dem Wurfzimmer verbannt, es sei denn, die Katze besteht auf eine Hebamme, die sie sich schon zuvor ausgesucht und herangezogen hat und die nun nicht von ihrer Seite weichen darf. Solange es geht, sollte man sie lassen, damit die Wehen nicht aussetzen. Eine Schüssel mit heißem Wasser wird bereitgestellt. Das Protokollheft tritt in Aktion, um für nachfolgende Geburten oder eventuelle spätere Probleme wichtige Hinweise zu ermöglichen. Der Raum sollte eine Mindesttemperatur von 22 Grad aufweisen, um ein Auskühlen der Neugeborenen zu vermeiden, die ihre Körpertemperatur während der ersten Tage nach der Geburt noch nicht selbständig regulieren können. Die ersten angedeuteten Wehen gehen bald über in deutlichere Kontraktionen der Hinterleibsmuskeln, die zunächst in größren Abständen und dann immer häufiger auftreten. Da die Katze nun Druck im Beckenbereich spürt, läuft sie oft zwischen Wurfkiste und Toilette hin und her (man muss ein Auge darauf haben, dass nicht ein Welpe auf der Toilette geboren wird und in die Streu fällt!), leckt After und Vagina und lockert damit das Gewebe. Besonders nervöse Katzen sind nur mühsam in der Kiste zu halten. Bewegung zwischen den Wehen tut jedoch vielen Katzen gut (Entkrampfung) und regt überdies die Wehentätigkeit an. Ansonsten hilft hier nur gutes Zureden, Geduld und fortwährende Versuche, die Katze für die Wurfkiste zu begeistern, denn nun kann jederzeit mit dem Erscheinen eines Welpen gerechnet werden.
2. Phase: Presswehen: Wenn ein Welpe vor dem Geburtskanal liegt, gehen die Eröffnungswehen in die weitaus kräftigeren Presswehen über, die in Serien kommen. Damit geschieht die eigentliche Austreibung der Föten. Jetzt platzt im Mutterleib die äußere Fruchthülle und das Fruchtwasser tritt aus. Bald darauf zeigt sich am Scheidenausgang die innere Fruchthülle mit dem darin befindlichen Jungtier. Viele Katzen liegen während der Austreibungsphase und stützen sich an den Seiten der Wurfkiste ab. Sie empfinden es als hilfreich, wenn man ihnen während der Wehen den Rücken stützt. Manche Katzen nehmen die Hockstellung ein, eine recht günstige Haltung für die Austreibung. Im Normalfall wird das Jungtier in der Fruchthülle innerhalb von 1-3O Minuten nach Einsetzen der Presswehen geboren. Dabei kann es passieren, dass sich der bereits sichtbar gewordene Teil immer wieder zurückzieht, um dann bei der folgenden Wehenserie wieder zum Vorschein zu kommen. Beim Austritt des ersten Welpen aus der Vagina kann die Katze große Schmerzen haben und schreien, nicht selten auch zubeißen. Sie muss unbedingt gehindert werden, vor Schmerz in das noch halb feststeckende Baby hinein zu beißen! Es ist ohne Belang, ob das Jungtier in Kopflage oder Steißlage (Schwanz und Hinterbeine zuerst) geboren wird. Lediglich die Lage mit an den Körper angelegten Hinterbeinen kann zu Schwierigkeiten führen, kommt aber sehr selten vor. Man sollte sich nur im Notfall darauf einlassen, an einem festsitzenden Welpen zu ziehen oder ihn in den Geburtskanal zurückzuschieben. Niemals darf am Schwanz oder an den Beinchen gezogen werden. Erst wenn ein Jungtier halb sichtbar ist, kann es notfalls mit der Hand umfasst und bei der nächsten kräftigen Wehe gezogen werden (keine Sache für Unerfahrene!). Nicht immer bleibt die Fruchthülle bei der Austreibung intakt. Wenn sie nicht schon unter der Geburt aufgerissen ist, wird die Mutter sie öffnen und das klitschnasse Neugeborene durch emsiges Putzen versorgen, zunächst im Kopfbereich. Danach beginnt sie, die Plazenta aufzunehmen und die Nabelschnur durchzutrennen (es empfiehlt sich bei einer unerfahrenen Katze, Daumen und Zeigefinger zwischen Bauchdecke des Jungtieres und Zähne der Mutter zu halten, damit nicht zu kurz abgenabelt wird!). Ein gesundes, kräftiges Jungtier beginnt nach dieser Prozedur trotz seiner Winzigkeit laut zu schreien und macht sich mit schaukelnden Suchbewegungen des Kopfes auf den Weg zur Zitze. Wenn die Geschwisterchen geboren werden, hängt es meist schon fest daran. In dieser entscheidenden Geburtsphase kann nun vielfältige Hilfestellung erforderlich sein: Gelegentlich ist die Mutter zu erschöpft, um sich ausreichend um das Neugeborene zu kümmern. Dann muss der Helfer dies übernehmen, ohne zu zögern. Häufig liegt das Neugeborene in seiner Fruchthülle dicht hinter der Vagina und kann von der Mutter nicht versorgt werden, da die Nachgeburt auf sich warten lässt und sie mit dem dicken Bäuchlein nicht herankommt. Da die Katzen erfahrungsgemäß nach einer gewissen Zeit nervös werden und eventuell das Jungtier umherzerren, mit ihm aus der Kiste springen (Gefahr des Nabelbruchs!), sollte man in diesem Fall nach spätestens 15 Minuten selbst abnabeln. Dabei wird die Nabelschnur ca. 2-3 cm von der Bauchdecke des Jungtieres entfernt blutleer gerieben und durchtrennt. Umgehend versorgen wir das Neugeborene, wie die Mutter es tun würde: wir reißen die Fruchthülle auf, säubern Mäulchen und Nase von Schleim und Fruchtwasser und versuchen, die Atemwege von eventuell eingeatmetem Fruchtwasser zu befreien (ausschleudern oder absaugen, beides sehr vorsichtig zu handhaben!). Wenn kein störendes Atemgeräusch mehr zu hören ist, rubbeln wir es mit einem rauen Frotteetuch kräftig und ausdauernd trocken. Die Nachgeburt sollte der Katze zum Fressen angeboten werden, aber nicht alle Katzen sind davon angetan. Im Protokoll sollte unbedingt die Anzahl und Vollständigkeit der Plazenten festgehalten werden. Wenn ein Jungtier längere Zeit im Geburtskanal gesteckt hat, kommt es oft fast leblos zur Welt. Dann ist mit den oben beschriebenen Aktionen Eile geboten. Zusätzlich kann ein Atemstimulans auf die Zunge gegeben werden. Vor allem aber muss das Neugeborene energisch massiert und gerubbelt werden, mindestens ½ Stunde lang. Gibt es dann Lebenszeichen, sollten die Bemühungen fortgesetzt werden, bis das Kleine normal atmet, warm und trocken ist. Ein Zaubermittel ist in kritischen Fällen manchmal, das Neugeborene kopfunter kurz unter einen kalten Wasserstrahl zu halten. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um das Geschlecht und das Geburtsgewicht zu bestimmen. Gewöhnlich schreien die Winzlinge mächtig, wenn sie auf die Waage gelegt werden. Um so besser, dabei entfalten sich die Lungen wunderbar! Das Neugeborene wird auf Anomalien untersucht. Leichte Deformationen des Kopfes oder Schiefhaltung von Gliedmaßen kann durch die vorgeburtliche Lage bedingt sein und geht in wenigen Tagen zurück. Die Geburt des folgenden Welpen kann unterschiedlich lange auf sich warten lassen. Manche Katzen bekommen ihre Welpen so schnell nacheinander, dass die einzelnen kaum zu versorgen sind, bei anderen setzen die Wehen für einige Zeit ganz aus und die Jungtiere kommen in größeren, unregelmäßigen Abständen (1-2 Stunden). Hin und wieder scheint die Geburt bereits beendet, am folgenden Tag findet sich aber ein weiteres Kitten in der Wurfkiste, gesund und munter hoffentlich. Sollte die Katze bei der Geburt der nachfolgenden Welpen sehr unruhig sein, ist es ratsam, die bereits geborenen herauszunehmen und in einen kleinen vorgewärmten, mit einem Tuch ausgeschlagenen Karton zu legen, damit sie in der Hektik nicht aus Versehen zu Schaden kommen. Nicht jede Katze toleriert dies Vorgehen aber. Ehe sie aus der Kiste springt, muss man die Erstgeborenen wohl oder übel zurücksetzen. Man kann dann in der entscheidenden Sekunde schützend eine Hand drüberlegen. Wunderbar ist es, wenn die Mutter bei den neu einsetzenden Wehen liegen bleibt, die ersten Jungtiere schon an den Zitzen saugen und damit die weitere Ausschüttung von Oxytocin und die Wehentätigkeit anregen. Wenn die Geburt abgeschlossen ist, alle Nachgeburten eingeschlossen, die Mutter erschöpft, aber schnurrend in der Kiste liegt, wäre eine kleine Stärkung wohl angebracht, nicht unbedingt für die Geburtshelfer sondern für die Katze: Catmilk mit Traubenzucker und Eigelb.
Mögliche Komplikationen:
1. Schleim-/Blutabsonderungen:
Leichte Schleimabsonderungen können bei einer sehr fülligen Katze schon einige Wochen vor der Geburt auftreten und sind meist unbedenklich.
Übelriechender Ausfluss, stark blutiger Ausfluss, Ausfluss in größeren Mengen vor, während und nach der Geburt gehören in tierärztliche Behandlung.
2. Ausbleibende Wehen:
Wenn die Geburt nicht bis zum 70. Tag von selbst in Gang kommt, sollte man sich mit seinem Tierarzt beraten.
3. Wehenschwäche:
Bei einer primären Wehenschwäche wird sicherlich ein Kaiserschnitt angezeigt sein. Handelt es sich um eine sekundäre Wehenschwäche, durch einen langen und anstrengenden Geburtsverlauf oder durch Einfrüchtigkeit (das einzige Jungtier ist absolut zu groß) bedingt, wird der Tierarzt zunächst Oxytocin spritzen, eventuell nach einer Stunde ein zweites Mal. Tut sich auch dann nichts, wird auch hier ein Kaiserschnitt vorgenommen.
4. Erfolglose Presswehen länger als 1-2 Stunden, ohne dass ein Junges geboren wird:
Ursache könnte sein: Querlage eines Fötus, meist eines toten Tieres, oder auch das Eintreten von 2 Welpen gleichzeitig in den Geburtskanal. Auch eine Verkrampfung ist denkbar, die durch Spasmolytika gut behoben werden kann. Hier muss ein Tierarzt weiterhelfen. Während der Fahrt zur Praxis erfolgt die Geburt häufig doch noch spontan so dass man für diesen Fall ausgerüstet sein sollte.
5. Gebärmutterentzündung:
Falls eine Plazenta oder ein Teil davon in der Gebärmutter bleibt, besteht die Gefahr einer Gebärmutterentzündung. Allerdings kann die fehlende Plazenta noch bis zu 36 Stunden nach der eigentlichen Geburt ausgestoßen werden. Im anderen Fall wird der Tierarzt ein Antibiotikum verabreichen. Übrigens: Sehr selten gibt es Zwillingsgeburten, d.h. eine Plazenta für 2 Welpen. Es gibt weitere, wesentlich seltenere Komplikationen, die allerdings so drastisch verlaufen (z.B. Eklampsie, Gebärmuttervorfall), dass sofortige tierärztliche Hilfe außer Frage steht.
Eklampsie:
Bei der Eklampsie handelt es sich um einen Kalziummangel in der Zeit um die Geburt herum, vor- bis nachher. Bei großen Würfen können Muskelkrämpfe in Erscheinung treten. Orale Gaben von Kalzium vor und nach der Geburt können dieser Krankheit vorbeugen. Tritt sie auf, reicht die alleinige orale Verabreichung nicht. Die parenterale Applikation ist dann unumgänglich.